Der Aufsatz geht zwei Strängen des Diskurses zum Thema Sprache in der Ukraine nach und versucht zu erklären, weshalb die Sprachenfrage einerseits immer wieder Argwohn hervorruft und keine Einigung darüber erzielt worden ist, während andererseits die Spannungen, welche die Sprachensituation generiert hat, bislang nicht zu ernsthaften politischen oder gesellschaftlichen Spaltungen geführt haben. Die Analyse geht von der Existenz zweier Elitendiskurse aus, die einen jeweils unterschiedlichen Aspekt des Sprachgebrauchs akzentuieren. Nach einer Untersuchung dieser Diskurse wird sowohl nach der Rolle der ukrainischen Regierung im Sprachenstreit als auch nach dem Verhältnis zur Sprache in der Gesellschaft gefragt. Bei einer Analyse des jeweiligen Diskurses wird deutlich, daß die Ukrainophonen die Verbindung zwischen Sprachgebrauch und staatlicher Sicherheit betonen, während die Russischsprachigen dies ablehnen bzw. ignorieren und stattdessen die Bedeutung der Sprache für ihre kollektive kulturelle Entwicklung hervorheben. Die Haltung der ukrainischen kulturellen Elite stellt über die Verbindung von Sprache und Nation einen Zusammenhang zwischen Sprache und der Existenz des Staates her, der durch ukrainophone Reaktionen auf regionale Aufwertungsversuche des Russischen deutlich wird. Die Entwicklung der russischen Kultur (die eine sprachliche Komponente enthält) wird daher als Bedrohung wahrgenommen. Die Russischsprachigen versuchen andererseits, die parallele Koexistenz der russischen und der ukrainischen Sprache und Kultur darzulegen, um einen besonderen Status des Russischen bzw. seinen fortgesetzten Gebrauch im Bildungsbereich und in den Medien zu rechtfertigen. Eine Analyse des Verhältnisses der russischsprachigen Elite zur Rußländischen Föderation ergibt, daß die russischsprachige kulturelle Elite der Ukraine von der mangelnden Unterstützung Rußlands enttäuscht ist und die eigene Zukunft als Staatsangehörige der Ukraine sieht.
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