Mitte der neunziger Jahre entstand eine untergerichtliche Rechtsprechungslinie, der sich im Jahre 1997 auch das Bundesarbeitsgericht anschloß. In ihr wurde eine eigenständige personelle Dimension der unternehmerischen Freiheit pointiert herausgearbeitet. Aus dieser Dimension resultiert die Anerkennung der Unternehmerentscheidung zur Personalreduzierung. Dies hat im rechtswissenschaftlichen Schrifttum aber auch in der Rechtsprechung teils erheblichen Widerspruch hervorgerufen. Bedeutet diese Erkenntnis doch, daß die Anerkennung einer solchen Unternehmerentscheidung mit einer erheblichen Reduktion der gerichtlichen Kontrolle verbunden ist.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht am 17.06.1999 drei Entscheidungen gefällt, die jene Anerkennung einer personellen Unternehmerfreiheit teilweise revidieren indem sie die Anforderungen an den Vortrag des Arbeitsgebers zu seiner personellen Konzeption erheblich verschärfen. Die in diesen Urteilen entwickelten Grenzen personeller Unternehmerentscheidungen gehen in ihrer Bedeutung allerdings weit über das Kündigungsschutzrecht hinaus.
Jene vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Vorgaben entfalten erhebliche Wechselwirkungen mit arbeitsrechtlichen Regelungen. Bedeutung haben sie vor allem für das Insolvenzarbeitsrecht. Doch auch gesetzliche Neuschöpfungen aus jüngerer Zeit, wie das Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000 und die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23.07.2001 müssen vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen in einem anderen Licht betrachtet werden.
Damit stellen sich folgende Fragen:
Kann ein personelles Konzept als Bestandteil der unternehmerischen Freiheit akzeptiert werden? Ist die Entscheidung des Arbeitgebers, mit welcher Zahl an Arbeitskräften er sein Unternehmen führen möchte als nur beschränkt überprüfbar hinzunehmen? Oder gehört es nicht vielmehr zur Aufgabe deutscher Arbeitsgerichte, einen Personalabbau, der aus ihrer Sicht lediglich zur Steigerung eines ohnehin guten Gewinns dient, nach Kräften zu verhindern und die Unternehmensplanung auf ihre Sozialverträglichkeit zu überprüfen?
Wie ist die Tendenz des Staates zu beurteilen, beschäftigungspolitische Aufgaben auf die betriebliche Ebene abzuwälzen? In welchem Umfang können Beschäftigungssicherung und -förderung zu Maximen unternehmerischen Handelns erhoben werden? Können aus einer gesetzlichen Verpflichtung zur Beschäftigungssicherung Konsequenzen für den Kündigungsschutz abgeleitet werden? Welchen Einfluß darf der Staat auf die Arbeitsnachfrage des Arbeitgebers nehmen und wie ist in diesem Zusammenhang die Einfühung eines allgemeinen Teilzeitanspruchs zu beurteilen?
Diese Detailfragen lassen sich jedoch auf eine grundlegende Frage reduzieren. Welchen Umfang hat die unternehmerische Freiheit und wie weit ist die Unternehmerentscheidung justiziabel?
Dieser Eintrag ist Teil der Universitätsbibliographie.