Intuition und Deliberation bei der Entscheidungsfindung : eine Betrachtung der Prozessebene
Horstmann, Nina
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URL:
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https://madoc.bib.uni-mannheim.de/32134
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URN:
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urn:nbn:de:bsz:180-madoc-321341
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Dokumenttyp:
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Dissertation
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Erscheinungsjahr:
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2012
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Ort der Veröffentlichung:
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Mannheim
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Hochschule:
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Universität Mannheim
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Gutachter:
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Bröder, Arndt
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Datum der mündl. Prüfung:
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1 Juni 2012
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Sprache der Veröffentlichung:
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Deutsch
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Einrichtung:
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Fakultät für Sozialwissenschaften > Allgemeine Psychologie (Bröder 2010-)
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Fachgebiet:
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150 Psychologie
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Normierte Schlagwörter (SWD):
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Intuition , Entscheidungsfindung , Affekt
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Freie Schlagwörter (Englisch):
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intuition , deliberation , automatic information integration , affect, dual-process theories , decision making
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Abstract:
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In den letzten Jahren erschienen zahlreiche Studien, in denen intuitive und deliberate Verarbeitungsmodi experimentell induziert und hinsichtlich der Entscheidungsqualität verglichen wurden (Halberstadt & Levine, 1999; Wilson et al., 1993; Wilson & Schooler, 1991). Über die Prozessebene intuitiver und deliberater Entscheidungsfindung ist indes bislang nur wenig bekannt. Zwei-Prozess Theorien (für einen Überblick siehe Evans, 2008) reichen für ein Verständnis intuitiver und deliberater Entscheidungsprozesse nicht aus, da sie weder auf theoretischer Ebene ausreichend spezifiziert noch auf empirischer Ebene hinreichend getestet wurden. Insbesondere machen diese Theorien keinerlei Annahmen darüber, wie Informationen im Entscheidungsprozess integriert werden. Unabhängig von der klassischen Zwei-Prozess Dichotomie wurden wiederum verschiedene Informationsintegrationsstrategien, die von der Anwendung vereinfachter Gewichtungsschemata bis hin zur aufwändigen Berechnung gewichteter Summen reichen (Gigerenzer, Todd & The ABC Research Group, 1999; Payne, Bettman & Johnson, 1988, 1993), theoretisch konzeptualisiert und empirisch untersucht. Kürzlich wurde im Rahmen einer alternativen Zwei-Prozess Konzeption eine universelle Informationsintegrationsstrategie vorgeschlagen (Glöckner & Betsch, 2008a), nach der Informationen unter Nutzung automatischer Prozesse im Sinne einer gewichteten Summe integriert werden. Die Testung dieser Strategie erfolgte bislang allerdings nur für den Bereich intuitiver Entscheidungen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand daher in einer vergleichenden Untersuchung von Prozessen der Informationsintegration, die intuitiven versus deliberaten Entscheidungen zugrunde liegen. Dazu wurde die Methode der instruktions-basierten experimentellen Induktion intuitiver und deliberater Verarbeitungsmodi aus vorausgehenden Studien zur Entscheidungsqualität übernommen. Die Arbeit setzte genau an den Schnittstellen an, an denen Zwei-Prozess Theorien und theoretische Ansätze zu Informationsintegrationsstrategien empirisch nicht ausreichend getestet wurden. Zunächst wurde in einer Serie von vier Experimenten anhand einfacher und komplexer probabilistischer Inferenzaufgaben (City-Size Aufgabe) untersucht, ob der Verarbeitungsmodus die Verwendung von Informationsintegrationsstrategien beeinflusst. Dafür kamen in einem ersten Schritt verschiedene Strategieklassifikationsmethoden (Experimente 1 und 2; Bröder, 2010; Bröder & Schiffer, 2003a; Glöckner, 2009a, 2010) und in einem weiteren Schritt die Eye-Tracking Methode (Experimente 3 und 4) zum Einsatz, anhand derer die Verarbeitungstiefe (automatische vs. bewusst-serielle Informationsintegration; Velichkovsky, 1999) ermittelt wurde. Die Ergebnisse dieser Experimente ergaben keinen Hinweis auf Unterschiede zwischen dem intuitiven und deliberaten Verarbeitungsmodus auf Ebene der Informationsintegration. Sowohl bei intuitiven als auch deliberaten Entscheidungen integrierten Personen häufig eine Vielzahl an Informationen im Sinne einer gewichteten Summenbildung. Dabei verwendeten sie jedoch keine bewusst-seriellen Rechenoperationen, sondern schnelle, automatische Informationsintegrationsprozesse. Ein Unterschied zwischen den beiden Verarbeitungsmodi zeigte sich hingegen auf Ebene der Informationssuche, die bei deliberaten Entscheidungen umfassender und gründlicher ausfiel. Darüber hinaus wurde in zwei Experimenten die Integration von Informationen mit einem affektiven Gehalt in Abhängigkeit des Verarbeitungsmodus untersucht. Dazu wurden rechtliche Entscheidungsaufgaben mit jeweils einer affektiven und mehreren affekt-neutralen Informationen erstellt und in einer Vorstudie getestet. Anhand dieser Aufgaben wurde geprüft, a) wie affektive Informationen unmittelbar nach ihrer Darbietung während einer seriellen Informationspräsentation gewichtet werden, und b) ob sie die abschließende Entscheidung beeinflussen. Ein wichtiger Befund der beiden Experimente bestand darin, dass affektiven Informationen bei der direkten Bewertung häufiger kein Gewicht zugewiesen wurde, wenn diese in einem deliberaten anstatt in einem intuitiven Verarbeitungsmodus erfolgte. Die Ergebnisse bezüglich des Einflusses affektiver Informationen auf die abschließende Entscheidung waren hingegen weniger eindeutig. So wies Experiment 5 darauf hin, dass die Konstellation aus Verarbeitungsmodus und Präsentationszeitpunkt der affektiven Information maßgeblich dafür sein könnte, ob diese die Entscheidung beeinflusst. Dieses Ergebnis konnte jedoch in Experiment 6 nicht repliziert werden. Die Befunde dieser Arbeit liefern einen ersten Hinweis darauf, dass es sich bei Intuition und Deliberation nicht um zwei qualitativ unterschiedliche und vollständig separierbare Verarbeitungsmodi handelt. Entsprechende Implikationen für den Zwei-Prozess Ansatz werden diskutiert.
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Übersetzung des Abstracts:
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In recent years, numerous studies were published in which intuitive and deliberate processing modes were experimentally induced and compared with respect to decision quality (Halberstadt & Levine, 1999; Wilson et al., 1993; Wilson & Schooler, 1991). Nevertheless, relatively little is known about the processes underlying intuitive and deliberate decision making. Dual-process theories (for an overview, see Evans, 2008) are not sufficient for understanding intuitive and deliberate decision processes, because they were neither sufficiently specified on a theoretical level nor satisfactorily tested on an empirical level. Specifically, these theories do not make claims regarding information integration. Regardless of the classic dual-process dichotomy, in turn, several information integration strategies ranging from the application of simplified weighting schemes to the laborious calculation of weighted sums (Gigerenzer, Todd & The ABC Research Group, 1999; Payne, Bettman & Johnson, 1988, 1993) were theoretically conceptualized and empirically tested. Recently, within the framework of an alternative dual-process approach, a universal information integration strategy has been proposed (Glöckner & Betsch, 2008a), according to which information is integrated in a weighted additive manner using automatic processes. However, this strategy has so far been tested only for the domain of intuitive decision making. Therefore, the aim of this thesis consisted in a comparative study of information integration processes underlying intuitive versus deliberate decisions. For this purpose, the method of an instruction-based experimental induction of intuitive and deliberate processing modes was adopted from preceding studies focusing on decision quality. This thesis started exactly at the point where dual-process theories and theoretical approaches regarding information integration strategies have not been sufficiently tested empirically. Initially, in a series of four experiments, the author investigated, by means of simple and complex probabilistic inference tasks (city-size task), whether the processing mode has an influence on the application of information integration strategies. Therefore, in a first step, different strategy classification methods (experiments 1 and 2; Bröder, 2010; Bröder & Schiffer, 2003a; Glöckner, 2009a, 2010) and, in a further step, the eye-tracking method (experiments 3 and 4), with the aid of which the depth of processing (automatic vs. conscious and serial information integration; Velichkovsky, 1999) can be determined, were employed. The results of these experiments provided no evidence of differences between the intuitive and deliberate processing mode on the level of information integration. In intuitive as well as in deliberate decisions, people often integrated a multitude of information corresponding to the predictions of a weighted additive strategy. However, they did not apply conscious and serial mathematical calculations, but fast automatic information integration processes. A difference between the two processing modes was found rather on the level of information search, which turned out more comprehensive und thorough in deliberate decisions. In addition, the integration of information with an affective load dependent on processing mode was investigated in two experiments. Therefore legal decision tasks – each with one affective and several affect-neutral pieces of information – were constructed and tested in a pre-study. On the basis of these tasks, the author analyzed a) how affective pieces of information are weighted directly after their presentation in a serial information presentation format, and b) whether they have an influence on the final decision. An important finding of these two experiments was that affective pieces of information more often received no weight when evaluated directly in a deliberate processing mode, compared to an intuitive one. The results regarding the influence of affective information on the final decision were less clear. Experiment 5 suggested that a specific constellation of processing mode and presentation time of the affective information could be relevant in determining whether this kind of information affects the decision. However, this result could not be replicated in experiment 6. The findings of this thesis provide first evidence that intuition and deliberation are not two qualitatively distinct and completely separable processing modes. Correspondent implications for the dual-process account are discussed.
(Englisch)
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